Oft lese oder höre ich von unseren Kunden: "Stimmt es, dass so feine Teppiche nur von zarten Kinderhänden geschaffen werden können?"
Diese Frage zeigt mir einerseits die gewachsene Sensibilität gegenüber diesem Thema, andererseits auch die Unkenntnis der verschiedenen Techniken, um einen handgeknüpften Teppich herzustellen.
Orientteppiche werden grundsätzlich entweder mit dem symmetrischen türkischen Gördes (Doppel-) Knoten oder dem asymmetrischen persischen Senneh (Einzel-) Knoten geknüpft.
Der symmetrische türkische doppelte (Gördes) Knoten ist für seine Festigkeit berühmt. Durch ihn erhalten die Teppiche, die mit ihm geknüpft wurden, ihre sprichwörtliche Strapazierfähigkeit.
Der asymmetrische einfache persische (Senneh) Knoten ist für die Fertigung eines Teppichs zeit- und materialsparender. Jedoch ist der Knotenfaden nicht so fest mit der Kette verbunden.
Der Djufti Knoten schließlich ist eine Abwandlung des asymmetrischen persischen Knotens, der noch einfacher und schneller zu knüpfen ist. Hier wird der Knoten nur noch um zwei, manchmal gar drei oder noch mehr Kettfäden geschlungen.
Dieser Djufti Knoten wird von Kindern vor allem in Indien und Pakistan verwandt, um Wollteppiche mit geringen Knüpfdichten von selten mehr als 50.000 Knoten/m² (= 5 Knoten/cm²) zu knüpfen. Diese Teppiche sind selten mit mehr als zwei oder drei verschiedenen Farben geknüpft - und ganz bestimmt niemals aus Seide, schon gar nicht vollkommen aus Seide. Die Dichte für persische Teppiche wird in einem komplizierten Verfahren berechnet.
Kein Kind der Welt hat die Ausdauer, Fingerfertigkeit und Ruhe, um einen echten Hereke Seidenteppich zu knüpfen, der mindestens (!) eine Knüpfdichte von 1.000.000 Knoten/m² (= 100 Knoten/cm²) hat - und das mit bis zu 36 verschiedenen Farben! Ganz abgesehen davon, ist die Kinderarbeit in der Türkei gesetzlich verboten.
Diese Arbeit ist so anstrengend, dass keine der türkischen Knüpfmeisterinnen - und nur die besten dürfen einen rein seidenen Hereke knüpfen - länger als 30 Minuten hintereinander knüpfen darf. Dann muss sie eine Pause machen, um die hohe Qualität und Perfektion der Knüpfung und Darstellung der Muster zu gewährleisten. Eine gute Knüpfmeisterin schafft kaum mehr als 3.000 Knoten am Tag, abhängig von der Anzahl der Farben und Knüpfdichten.
Diese Arbeit kann kein Kind schaffen. Wer solche Geschichten in die Welt setzt, will dem Ansehen der Teppichknüpfkunst bewusst oder unbewusst schaden - und damit dem Ansehen, der hohen Kunstfertigkeit, der Ausdauer und dem Fleiß der Knüpfmeisterinnen.
Copyright: Text: Solveigh Calderin (Cal) - Zeichnungen: Dania Calderin
Dienstag, 14. Oktober 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen