Ein kleiner Abriss zur Geschichte
Obwohl der türkische Teppich aus einem der klassischen Ursprungsländer kommt, wird er heute in Europa kaum wahr genommen.
Dieser Artikel will den reizvollen, nicht alltäglichen Teppichen aus Anatolien Aufmerksamkeit schenken und sich mit der Frage auseinandersetzen, warum er im Bewusstsein nicht nur der Europäer von heute eine nur untergeordnete Rolle spielt, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Kaum jemand erinnert sich noch daran, dass die Europäer durch die Herrschaft des Osmanischen Reiches, die bis vor Wien reichte, nicht nur Kaffee, Kakao und Schokolade kennen lernten, sondern auch den Orientteppich.
Es waren die alttürkischen Teppiche, die den Venezianer Marco Polo, der auf seiner 1271 begonnenen Reise zum Fernen Osten die anatolischen Städte Como (Konya), Caesarea (Kayesri) und Sebastala (Sivas) berührte, von den "besten Teppichen der Welt" sprechen ließ. Diese Teppiche waren es, die den Weltruf des Orientteppichs begründeten.
Der älteste uns überlieferte Teppich ist der berühmte rund 2.400 Jahre alte Pazyryk-Teppich, der schon mit dem doppelten türkischen Knoten geknüpft wurde und in der Ermitage in St. Petersburg bewundert werden kann.
Detail des Pazyryk Teppichs (Bild-Quelle: Wikipedia)
Die nächsten erhalten gebliebenen Teppichfragmente stammen aus dem 11. - 13. Jh. aus den Moscheen in Konya und Beysehir, ebenso aus Turkestan, dem Zweistromland und dam ägypto-koptischen Bereich, alle mit dem dopppelten türkischen Knoten geknüpft, und nach Farben und Mustern eindeutig Anatolien zuzuordnen. Sie stammen aus der Zeit der Seldschuken-Herrschaft. Die Seldschuken waren ein turkmenischer Stamm der Oghusen, die im 9. Jahrhundert ihr Siedlungsgebiet östlich des Aralsees (dem heutigen Kasachstan und Usbekistan) hatten und vom 11. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts ihre Herrschaft über Persien bis nach Anatolien ausdehnten. Die Teppiche aus dieser Zeit weisen eine solche Meisterschaft und Kunstfertigkeit auf, dass man davon ausgehen muss, dass diese Kunst schon lange vor den Seldschuken im anatolischen Volk gepflegt wurde, obwohl kein einziger Teppich heute Zeugnis davon ablegt.
Ab Anfang des 13. Jahrhunderts übernahmen nach und nach die Osmanen die Herrschaft über Anatolien und weiteten sie Schritt für Schritt über drei Kontinente aus.
Jetzt wurden anatolische Teppiche in Hofmanufakturen für den ausschließlichen Gebrauch der Sultane und des Hochadels hergestellt. Diese feinsten Teppiche wurden auch als Gastgeschenke genutzt, um Beziehungen zu (nicht nur) europäischen Staaten zu knüpfen oder wiederherzustellen, Allianzen zu schmieden oder zu erneuern, um Könige, Fürsten und Mitglieder des Hochadels auszuzeichnen. Auf diese Weise kamen europäische Fürstenhäuser erstmals mit den orientalischen, damals ausschließlich türkischen Teppichen in Berührung.
Durch Händler in Florenz und Genua fanden diese Teppiche als außerordentliche Beispiele der Harmonie in Farbe und Ornamentik Eingang in weitere europäische Adelshäuser. Es gehörte bald zum "guten Ton" mindestens einen türkischen Teppich sein eigen zu nennen, wenn nicht eine ganze Sammlung. Die Fürsten ließen ihre Teppiche gern auf den Gemälden des 14. bis 16. Jahrhunderts dar- und zur Schau stellen. Besonders bekannt sind die Darstllungen durch Holbein dem Jüngeren, Lotto, Hans Memling, Van Eyck und so weiter. Die von diesen Künstlern agbebildeten Teppiche werden durch ihre Muster und Farben eindeutig als anatolische Teppiche erkannt - und die Gemälde dienen bis zum heutigen Tag zur Klassifizierung antiker anatolischer Teppiche aus dieser Zeit.
Ab Anfang des 13. Jahrhunderts übernahmen nach und nach die Osmanen die Herrschaft über Anatolien und weiteten sie Schritt für Schritt über drei Kontinente aus.
Jetzt wurden anatolische Teppiche in Hofmanufakturen für den ausschließlichen Gebrauch der Sultane und des Hochadels hergestellt. Diese feinsten Teppiche wurden auch als Gastgeschenke genutzt, um Beziehungen zu (nicht nur) europäischen Staaten zu knüpfen oder wiederherzustellen, Allianzen zu schmieden oder zu erneuern, um Könige, Fürsten und Mitglieder des Hochadels auszuzeichnen. Auf diese Weise kamen europäische Fürstenhäuser erstmals mit den orientalischen, damals ausschließlich türkischen Teppichen in Berührung.
Durch Händler in Florenz und Genua fanden diese Teppiche als außerordentliche Beispiele der Harmonie in Farbe und Ornamentik Eingang in weitere europäische Adelshäuser. Es gehörte bald zum "guten Ton" mindestens einen türkischen Teppich sein eigen zu nennen, wenn nicht eine ganze Sammlung. Die Fürsten ließen ihre Teppiche gern auf den Gemälden des 14. bis 16. Jahrhunderts dar- und zur Schau stellen. Besonders bekannt sind die Darstllungen durch Holbein dem Jüngeren, Lotto, Hans Memling, Van Eyck und so weiter. Die von diesen Künstlern agbebildeten Teppiche werden durch ihre Muster und Farben eindeutig als anatolische Teppiche erkannt - und die Gemälde dienen bis zum heutigen Tag zur Klassifizierung antiker anatolischer Teppiche aus dieser Zeit.
"Die Gesandten" (Holbein 1533) (Quelle: Wikipedia)
Ausschnitt aus dem als Tischdecke genutzten Teppich aus "Die Gesandten" (Holbein 1533) (Quelle: Wikipedia)
Ausschnitt aus dem als Tischdecke genutzten Teppich aus "Die Gesandten" (Holbein 1533) (Quelle: Wikipedia)
Nach der verlorenen Schlacht vor Wien im Jahre 1683 ließen die Türken neben ihren Zelten auch viele ihrer wundervollenTeppiche zurück. Dadurch gab es jetzt so viele türkische Teppiche, dass es auch den Bürgern erlaubt wurde, sie zu besitzen. Durch dieses Ereignis stieg die Nachfrage nach türkischen Teppichen in Europa weiterhin an. Damals war der türkische Teppiche der Inbegriff des Orientteppichs.
Das sollte auch bis zum 19. Jahrhundert so bleiben.
Bevor wir uns mit dem Niedergang der Bedeutung des türkischen Teppichs in Europa (und damit in der Welt) beschäftigen, hier ein kleiner Einschub zu den Unterschieden zwischen dem heute noch vorherrschenden persischen (und damit pakistanischen und indischen) Orientteppich - und dem türkischen Teppich, dessen Renaissance in Europa wir seit einiger Zeit erleben dürfen.
Der persische Teppich unterscheidet sich von den türkischen nicht nur durch die überwiegende Knüpfung mit dem loseren und einfacher zu knüpfenden persischen asymmetrischen, einfachen oder Senneh-Knoten:
Copyright Zeichnung: Dania Calderin
im Gegensatz zu dem sehr haltbaren türkischen symmetrischen, doppelten oder Gördes-Knoten:
Copyright Zeichnung: Dania Calderin
sondern ebenso in der Musterung.
Die Begründung für die Unterschiede der Muster liegt im Darstellungsverbot des Islam. Da die Perser dem schiitischen Islam angehören, wird bei ihnen dieses Verbot etwas lockerer gehandhabt, was zu den bekannten geschwungenen, weitschweifigen, floralen und Tiermustern führt.
Dem stehen die beinahe strengen, immer an einer Symmetrie-Achse gespiegelten geometrischen, stilisierten Muster der sunnitischen Türken gegenüber, die von den ostasiatischen Turkvölkern abstammen und ihre geometrischen Muster bereits in den Kilims der Nomaden zeigen. Dennoch wirken sie durch ihre Symmetrie und die warmen Farben nie kalt.
Eine Ausnahme bilden hier die türkischen Palast-Teppiche des 19. Jahrhunderts, die sich an den persischen Mustern anlehnen, denn zu dieser Zeit herrschte am osmanischen Hof gerade die "persische Mode". Durch die Eroberung und Herrschaft über Persien im 16. Jahrhundert, die bis zum Ende des 17. Jahrhunderts andauerte, waren die Osmanen mit diesen Mustern in Berührung gekommen, haben Teile davon angenommen und "osmanisiert".
Das führte zu einer geschwungeneren und naturalistischeren Ausführung der Muster, besonders der Palast-Teppiche, die eigens für den Gebrauch bei Hofe und in der Aristrokratie entworfen wurden und dennoch wurde die türkische Eigenart nicht nur in den Farben beibehalten. Sehr schön wird dies in den Mustern des Sultans Abdülmecid I. verdeutlicht, der ab 1844 die Teppiche für seinen Dolmabahce Palast in Hereke knüpfen ließ.
Das sollte auch bis zum 19. Jahrhundert so bleiben.
Bevor wir uns mit dem Niedergang der Bedeutung des türkischen Teppichs in Europa (und damit in der Welt) beschäftigen, hier ein kleiner Einschub zu den Unterschieden zwischen dem heute noch vorherrschenden persischen (und damit pakistanischen und indischen) Orientteppich - und dem türkischen Teppich, dessen Renaissance in Europa wir seit einiger Zeit erleben dürfen.
Der persische Teppich unterscheidet sich von den türkischen nicht nur durch die überwiegende Knüpfung mit dem loseren und einfacher zu knüpfenden persischen asymmetrischen, einfachen oder Senneh-Knoten:
Copyright Zeichnung: Dania Calderin
im Gegensatz zu dem sehr haltbaren türkischen symmetrischen, doppelten oder Gördes-Knoten:
Copyright Zeichnung: Dania Calderin
sondern ebenso in der Musterung.
Die Begründung für die Unterschiede der Muster liegt im Darstellungsverbot des Islam. Da die Perser dem schiitischen Islam angehören, wird bei ihnen dieses Verbot etwas lockerer gehandhabt, was zu den bekannten geschwungenen, weitschweifigen, floralen und Tiermustern führt.
Dem stehen die beinahe strengen, immer an einer Symmetrie-Achse gespiegelten geometrischen, stilisierten Muster der sunnitischen Türken gegenüber, die von den ostasiatischen Turkvölkern abstammen und ihre geometrischen Muster bereits in den Kilims der Nomaden zeigen. Dennoch wirken sie durch ihre Symmetrie und die warmen Farben nie kalt.
Eine Ausnahme bilden hier die türkischen Palast-Teppiche des 19. Jahrhunderts, die sich an den persischen Mustern anlehnen, denn zu dieser Zeit herrschte am osmanischen Hof gerade die "persische Mode". Durch die Eroberung und Herrschaft über Persien im 16. Jahrhundert, die bis zum Ende des 17. Jahrhunderts andauerte, waren die Osmanen mit diesen Mustern in Berührung gekommen, haben Teile davon angenommen und "osmanisiert".
Das führte zu einer geschwungeneren und naturalistischeren Ausführung der Muster, besonders der Palast-Teppiche, die eigens für den Gebrauch bei Hofe und in der Aristrokratie entworfen wurden und dennoch wurde die türkische Eigenart nicht nur in den Farben beibehalten. Sehr schön wird dies in den Mustern des Sultans Abdülmecid I. verdeutlicht, der ab 1844 die Teppiche für seinen Dolmabahce Palast in Hereke knüpfen ließ.
Hereke Seidenteppich mit osmanischem Muster (Medaillon mit Paradiesvögeln) aus unserer Kollektion
Im selben Zeitraum überfluteten die Briten den europäischen Markt durch eine groß angelegte Marketing-Strategie während der Weltausstellungen von 1851 in London und 1873 in Wien mit persischen Teppichen. Das führte zu einer erhöhten Nachfrage nach Teppichen aus Persien und der bisher in Europa dominierende türkische Teppich verschwand aus dem Bewusstsein der Menschen. Durch die steigende Nachfrage nach persischen Teppichen besonders aus dem aufstrebenden Bürgertum kam der Engländer schweizerischer Herkunft Ziegler auf die Idee, die Teppiche maschinell und industiell direkt in Persien herstellen zu lassen. Durch die auf Grund der Massenproduktion sinkenden Preise wurde die Nachfrage nach persischen Teppichen weiter angeheizt. Das führte dazu, dass die in Persien vorhandene Wolle zum Knüpfen der Teppiche nicht mehr ausreichte und aus Großbritannien importiert werden musste. Ein solches Vorgehen war möglich, weil es auf Grund des faktischen Protektorats der Briten über Persien in dieser Zeit (die Briten herrschten über den Süden Persiens während er Ghadjaren-Dynastie von 1779 - 1924) keine Ein- oder Ausführbeschränkungen oder Zölle gab. Das war der engültige Niedergang des türkischen Teppichs in Europa und der Beginn des Übergewichtes der persischen Teppiche. Durch die koloniale Herrschaft Großbritanniens unter anderem auch über Indien und Pakistan, wurden die Muster und Herstellungsverfahren aus Persien dorthin exportiert. So kamen zu den persischen auch die indischen und pakistanischen Teppiche - alle mit persischen Mustern und dem persischen Knoten geknüpft, die den Geschmack der Europäer in den letzten 150 Jahren bestimmten.
Der türkische Teppich ist heute ein Teppich der Liebhaber und Kunstkenner - und wir wünschen ihm die Aufmerksamkeit im Bewusstsein der Menschen dieser Erde, der ihm durch seine Jahrtausende alte Geschichte gebührt.
Der osmanische Sultan Abdülmecid I. ließ ab 1843 den Dolmabahce Palast (türkisch: Dolmabahce Sarayi - "Palast der aufgeschütteten Gärten") errichten. Um die Polsterstoffe, Gardinen, Wandverkleidungen und Teppiche für diesen Palast der Superlative herzustellen, gründete er die Manufaktur in Hereke. Die hier versammelten besten Knüpfmeister und Designer ermöglichten es, feinste Teppiche mit bisher nie da gewesenen Mustern, in ungewöhnlichen Größen und vollkommener Harmonie zu schaffen.
Der türkische Teppich ist heute ein Teppich der Liebhaber und Kunstkenner - und wir wünschen ihm die Aufmerksamkeit im Bewusstsein der Menschen dieser Erde, der ihm durch seine Jahrtausende alte Geschichte gebührt.
Der osmanische Sultan Abdülmecid I. ließ ab 1843 den Dolmabahce Palast (türkisch: Dolmabahce Sarayi - "Palast der aufgeschütteten Gärten") errichten. Um die Polsterstoffe, Gardinen, Wandverkleidungen und Teppiche für diesen Palast der Superlative herzustellen, gründete er die Manufaktur in Hereke. Die hier versammelten besten Knüpfmeister und Designer ermöglichten es, feinste Teppiche mit bisher nie da gewesenen Mustern, in ungewöhnlichen Größen und vollkommener Harmonie zu schaffen.
Beispiel eines Hereke Teppichs im "Botschafter-Saal" im Dolmabahce Palast. (Bild-Quelle: Wikipedia)
Der Dolmabahce Palast und die darin befindlichen 4.454 m² herrlichen feinsten Teppiche aus Hereke künden noch heute von den ehrgeizigen Plänen des jungen Sultans, von der Kunstfertigkeit und dem Können der Architekten, Künstler und Handwerker der damaligen Zeit.
Der Dolmabahce Palast und die darin befindlichen 4.454 m² herrlichen feinsten Teppiche aus Hereke künden noch heute von den ehrgeizigen Plänen des jungen Sultans, von der Kunstfertigkeit und dem Können der Architekten, Künstler und Handwerker der damaligen Zeit.
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